June 5, 2025

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Mieter erhalten zwei zusätzliche Rechte mit enormem wirtschaftlichen Wert.

Hört man der Politik zu oder liest übliche Presse, muß man den Eindruck erhalten, daß eine Aufteilung so ungefähr das schlimmste ist, was den Mietern in einem Haus passieren kann. Gehört das Haus erst mal einem "Investor" und macht der Eigentumswohnungen draus, dann... ja was eigentlich?

Rechtlich passiert folgendes: 1) Alle Mieter erhalten einen zusätzlichen Kündigungsschutz gegen Eigenbedarfskündigungen von mindestens 3, in Berlin 10 Jahren ab Erstverkauf, und 2) alle Mieter erhalten ein Vorkaufsrecht an ihrer Wohnung, falls sie verkauft wird.

Das sind enorm werthaltige Geschenke, die sie ohne Aufteilung nicht erhalten. Schauen wir uns das einmal im einzelnen an:

Vorteil 1: Kündigungsschutz bei Eigenbedarf von bis zu 10 Jahren

Rechtslage:

Ist an vermieteten Wohnräumen nach der Überlassung an den Mieter Wohnungseigentum begründet und das Wohnungseigentum veräußert worden, so kann sich ein Erwerber auf Eigenbedarf erst nach Ablauf von drei Jahren seit der Veräußerung berufen, § 577a Abs. 1 BGB. Die Frist verlängert sich nach Absatz 2 der Vorschrift auf bis zu 10 Jahre, wenn es eine entsprechende lokale Verordnung gibt. In Berlin ist das der Fall, siehe hier.

Damit der Kündigungsschutz greift, braucht es drei Voraussetzungen:

a) Es muß aufgeteilt, also "Wohnungseigentum begründet" werden. In einem ungeteilten Mietshaus kann der Eigentümer jederzeit irgend eine Wohnung herauspicken und den Mieter wegen Eigenbedarfs kündigen - z.B. weil der Sohn aus der elterlichen Wohnung ausziehen oder weil er in Berlin studieren möchte oder weil der Vermieter und seine Frau sich trennen und auseinanderziehen wollen oder weil ein anderer naher Verwandter oder Haushaltsangehöriger eine Wohnung braucht etc., die klassischen Eigenbedarfsgründe halt.

b) Die Aufteilung muß nach der Vermietung ("nach der Überlassung an den Mieter") geschehen. Geschützt sind also die bei Aufteilung im Haus vorhandenen Bestandsmieter. Wenn hingegen nach der Aufteilung eine leere Wohnung neu vermietet wird, gibt es diesen Kündigungsschutz nicht.

c) Die Wohnung muß nach der Aufteilung verkauft worden sein ("und das Wohnungseigentum veräußert"). Daß der Eigentümer einfach nur so sein Haus in Eigentumswohnungen aufteilt, ändert also erst einmal nichts. Er kann auch danach weiterhin kündigen wie unter a) dargestellt. Wenn die Wohnung aber verkauft wird und ein neuer Eigentümer sie übernimmt, dann ist dieser gehindert, wegen Eigenbedarfs zu kündigen. Das bedeutet, daß ein Verkauf faktisch nur an Kapitalanleger in Betracht kommt, denn jemand, der selbst einziehen will, wird kaum 10 Jahre warten wollen, bis er kündigen kann.

rechtliche Auswirkungen:

Eigenbedarf ist im wesentlichen der einzige Kündigungsgrund, den ein Vermieter nach deutschem Mietrecht hat, wenn der Mieter sich immer an den Vertrag hält. Alle anderen Kündigungsgründe setzen ein Verschulden des Mieters voraus, z.B. Nichtzahlung der Miete oder Störung des Hausfriedens oder Zerstörung der Mietsache etc. Wenn ein Mieter immer die Miete zahlt, seine Nachbarn nicht tyrannisiert und die Wohnung oder das Haus nicht kaputt macht, kann er deshalb faktisch gar nicht mehr gekündigt werden, wenn die Eigenbedarfskündigung ausgeschlossen ist. Einen solch starken Kündigungsschutz kann man kaum rechtfertigen; er nimmt dem Vermieter temporär jede Dispositionsmöglichkeit über sein Eigentum. Dabei ist "Eigentum" gesetzlich definiert als das Recht, mit der Sache nach Belieben zu verfahren, § 903 BGB. Davon ist nicht viel übrig, wenn es nur noch die eine Möglichkeit gibt, die Wohnung an den vorhandenen Mieter zu den bestehenden Konditionen weiter zu vermieten. Wir Juristen rechtfertigen das damit, daß ja niemand diese Wohnung dann kaufen und sich damit freiwillig in diese Lage begeben muß. Wer das macht, ist also selbst schuld, und damit ist es in Ordnung. Für den aufteilenden Eigentümer ist es hingegen kein Rechtsnachteil, denn er verliert ja sein Recht zur Eigenbedarfskündigung nicht, und wenn er dann irgendwann verkauft, ist es für ihn ebenfalls (rechtlich) unerheblich.

wirtschaftliche Auswirkungen:

Faktisch ist es natürlich ein enormer wirtschaftlicher Nachteil für den Eigentümer. Wegen des starken Mieterschutzes in Deutschland und der außerordentlich weitgehenden Mietregulierung sind leere Wohnungen bei Verkauf viel mehr wert als vermietete. Fragen Sie irgendeinen Makler, jeder wird es Ihnen bestätigen. Denn eine Leerwohnung stellt dem Käufer nicht die Frage, ob sie sich rechnet, sondern ob er darin gern wohnen möchte. Die Ankaufskalkulation ist eine andere, damit verkauft sie sich besser und teurer. Indem man dem aufteilenden Eigentümer die Möglichkeit nimmt, die Wohnung an potentielle Selbstnutzer zu verkaufen, schneidet man ihm diesen Teil des möglichen Ertrags ab. Das kann er auch nicht durch Abwarten vermeiden, denn die Kündigungssperrfrist beginnt erst mit dem Verkauf, nicht vorher. Er kann also nicht aufteilen, dann 10 Jahre warten und dann verkaufen, bzw. das kann er zwar schon, aber die 10jährige Sperrfrist beginnt in diesem Fall auch erst mit dem Verkauf. Ob dieser gleich oder erst 10 Jahre später stattfindet, spielt keine Rolle.

Das hat - zumindest in begehrten Städten wie Berlin - zur Folge, daß es für den aufteilenden Eigentümer sinnvoll sein kann, den Mieter herauszukaufen. Die Differenz zwischen dem Kaufpreis der vermieteten und der leeren Wohnung beträgt häufig fünf- bis vielleicht sogar sechsstellige Beträge. Wenn man dem Mieter davon etwas abgibt, damit er auszieht, hat der Eigentümer am Ende mehr Geld als wenn er das nicht tut. Für den Mieter bedeutet das einen Glücksfall: er bekommt Geld geschenkt, steuerfrei, einfach nur weil er Mieter war, als das Haus in Eigentumswohnungen aufgeteilt wurde. Er mußte dafür weder in der Vergangenheit noch in der Zukunft etwas leisten (außer umziehen, und das vielleicht auch nicht sofort, sondern innerhalb einer Frist, die man frei vereinbaren kann).

Ohne Aufteilung und Verkauf bekommt der Mieter das nicht. Für ihn hat sich die Aufteilung also schon deswegen enorm gelohnt!

Vorteil 2: Vorkaufsrecht

Zusätzlich zum Kündigungsschutz erhält der Mieter das Recht, die Wohnung vor allen anderen Interessenten selbst zu kaufen, § 577 BGB.

rechtliche Auswirkungen:

Das Gesetz stellt sicher, daß der Mieter nicht umgangen werden kann, es räumt ihm ein gesetzliches Vorkaufsrecht beim Erstverkauf nach Aufteilung ein. Das bedeutet, daß der aufteilende Vermieter die Wohnung zwar an einen Dritten verkaufen kann. Als Notar muß ich in einem solchen Fall aber dem Mieter den abgeschlossenen Kaufvertrag übersenden, womit bei diesem eine zweitmonatige Überlegungsfrist beginnt, ob er diesen Vertrag übernehmen möchte. Falls ja, kann er an die Stelle des Käufers treten, einfach indem er mir - dem Notar - schreibt, daß er sein Vorkaufsrecht ausübt. Erhalte ich eine solche Erklärung, kommt der Kaufvertrag nun mit dem Mieter zustande, der Erstkäufer ist raus.

Auch hier spielt es keine Rolle, wir lange die Aufteilung zurückliegt. Zwar hat eine natürliche Fluktuation zur Folge, daß im Laufe längerer Zeitabschnitte einige alte Mieter ausziehen und einige neue Mieter - die dann nicht mit aufgeteilt wurden und diese Rechte nicht haben - neu einziehen. Für Bestandsmieter bei Aufteilung besteht das Vorkaufsrecht aber auch nach Jahrzehnten noch, wenn erst dann ihre Wohnung erstmalig verkauft wird.

wirtschaftliche Auswirkungen:

In Kombination der beiden Rechte ist das ein enorm mächtiges Instrument: der aufteilende Vermieter kann nur an Kapitalanleger verkaufen, d.h. zu einem so niedrigen Kaufpreis, daß er einen Käufer findet, für den sich das mit Blick auf die aktuelle Miethöhe rechnet. Die deutlich höheren Kaufpreise, die bei einem Verkauf an Selbstnutzer erzielbar wären, sind hier nicht im Spiel. Der Mieter ist aber Selbstnutzer! Das bedeutet, daß er eine Wohnung für sich selbst zur Eigennutzung zu einem Preis kaufen kann, den niemand anderes am Markt erhielte! Was für ein Angebot!

Der Wert dessen läßt sich abschätzen, wenn der Mieter anschließend auszieht und die Wohnung als Leerwohnung weiter verkauft. In diesem Fall ist seine Preisvorstellung weder durch den Kündigungsschutz eines Mieters noch dessen Vorkaufsrecht eingeschränkt, denn beides ist bzw. war er ja selbst. Auch hier kann allein die Differenz zwischen An- und Verkaufspreis fünf- oder sechsstellige Werte heben, ein Ertrag, den das Gesetz dem aufteilenden Eigentümer vorenthält und es dem Mieter zuweist, einfach nur weil er glücklicherweise bei Aufteilung Mieter war. Ohne Aufteilung und Verkauf bekommt der Mieter auch dieses nicht.

Davon abgesehen erhält der Mieter - entweder indem er die Wohnung kauft und drin bleibt, oder indem er die Differenz zwischen An- und Verkaufspreis als Eigenkapital für die Finanzierung einer anderen, vielleicht größeren oder schöneren Wohnung verwendet - die Möglichkeit, aus der Miete heraus in Eigentum zu wechseln und so nach 20 oder 25 Jahren, wenn der Kredit getilgt ist, keine Miete mehr zahlen zu müssen. Das ist ein guter Baustein, Altersarmut vorzubeugen.

Ist das eigentlich fair?

Auf diese Frage werden Sie unterschiedliche Antworten erhalten, je nach dem, wen Sie fragen.

Für den aufteilenden Eigentümer ist es offenkundig nicht fair. Er macht sein Haus wohnungsweise handelbar und erhöht so die Wohnungsliquidität im Markt. Wenn das viele Eigentümer gleichzeitig tun, liegen die Preise auf einem geringeren Niveau als bei ausgeprägter Knappheit. Dadurch ist es mehr Menschen möglich, Eigentum zu erwerben. Des weiteren ermöglicht er seinen Mietern Altersvorsorge in einer Weise, die ihnen mit ihren eigenen vier Wänden bisher verschlossen war. Den wirtschaftlichen Mehrwert darf der aufteilende Eigentümer aber nicht schöpfen, der wird durch die obigen beiden Vorschriften auf seine Mieter umverteilt.

Aus Mietersicht ist es eigentlich auch nicht fair, jedenfalls wenn er objektiv auf die Situation schaut und die Situation wirtschaftlich verwertet: er bekommt ohne eigenes Zutun einen erheblichen Betrag Geldes geschenkt. Den hat er nicht verdient, aber er bekommt ihn dennoch.

Nur für den Mieter, der sich weder herauskaufen läßt noch sein Vorkaufsrecht ausübt, ändert sich nicht viel. Er kann einfach wohnen bleiben und ist vor Eigenbedarfskündigungen geschützt, jedenfalls 10 Jahre lang. Hier ist beim Mieter kein Vermögenszuwachs eingetreten. Für den Vermieter ist es gleichwohl ein Verlustgeschäft, da er den Mehrwert, der durch die Aufteilung entstanden ist, nicht am Markt durchsetzen kann. Dieser Mehrwert landet beim Käufer der Kapitalanlage: wenn er sie 10 Jahre lang hält und dann weiterverkauft, gibt es keinen Kündigungsschutz und kein Mietervorkaufsrecht mehr, d.h. die Wohnung kann dann - endlich - auch an potentielle Eigennutzer verkauft werden.

Mieterschutz? Ja bitte, durch mehr Aufteilungen!

Wenn Sie also demnächst wieder mal in der Presse lesen oder hören, daß man die Mieter besser schützen und deshalb Aufteilungen weiter verbieten müsse, dann wissen Sie nun: das ist Unsinn. Nicht ein Aufteilungsverbot, sondern die Aufhebung des Aufteilungsverbots wäre gut für die Mieter! Wer Ihnen das Gegenteil erzählt, hat es entweder selbst nicht verstanden oder will Sie für dumm verkaufen.

Ihr Tobias Scheidacker
Notar

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